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Pflichtteilsrecht
Pflichtteilsrecht
Das Pflichtteilsrecht – Unsere Fachanwälte erklären, wer Anspruch auf einen Pflichtteil hat, wie hoch der Pflichtteil ist und wie man erfährt was überhaupt vererbt wurde. Ferner wird beschrieben, welche Rechte ein Pflichtteilsberechtigter hat, wie man einen Pflichtteil umgehen kann und wann der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt. Schließlich wird erklärt, was ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ist und wie hoch dieser ausfällt.
Was ist ein Pflichtteil?
Grundsätzlich kann der Erblasser frei entscheiden, wer Erbe werden soll und wer nicht. Die nächsten Angehörigen sollen aber eine Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten. Das ist der sogenannte Pflichtteil.
Welche Personen haben einen Anspruch auf den Pflichtteil?
Pflichtteilsberechtigt sind:
- Kinder, und zwar eheliche, nichteheliche und als minderjährige adoptierte Kinder.
- Ehegatten und eingetragene Lebenspartner
- Eltern. Diese sind allerdings nur pflichtteilsberechtigt, wenn keine Kinder des
Erblassers vorhanden sind. Geschwister, Großeltern, Neffen und Nichten sind nicht pflichtteilsberechtigt.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Die Höhe des Pflichtteils entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Wann besteht kein Anspruch auf dem Pflichtteil?
Der Pflichtteile entfällt nur, wenn
- darauf notariell verzichtet wurde,
- bei Verjährung (3 Jahre)
- bei Pflichtteilsunwürdigkeit
Beispiel: Herr Müller ist alleinstehend, nachdem Frau Müller verstorben ist. Er hat aus der Ehe 2 Kinder. Er lernt eine neue Partnerin kennen und heiratet erneut. Die Kinder mögen die zweite Frau nicht und brechen den Kontakt zum Vater ab. Herr Müller ist empört und möchte deshalb die Kinder enterben, das bedeutet, ihnen den Pflichtteil entziehen. Dazu ist er aber nicht berechtigt, denn das Verhalten der Kinder reicht dazu nicht aus.
Die Fälle, in denen Pflichtteilsunwürdigkeit besteht, sind sehr selten. Das ist nur gegeben, wenn der Berechtigte sich strafbar gemacht hat wegen Tötung oder versuchter Tötung des Erblassers oder wegen schwerer Körperverletzung. Ferner ist es möglich, bei „unsittlichem Lebenswandel“ des Pflichtteilsberechtigten. Nach früherer Rechtsprechung war das gegeben, wenn der Pflichtteilsberechtigte der Prostitution nachging. Dies wird heute von den Gerichten nicht mehr als ausreichend angesehen.
Welche Rechte hat ein Pflichtteilsberechtigter?
Der Pflichtteilsberechtigte ist am Nachlass nicht dinglich beteiligt. Er kann also von den Erben keine Nachlassgegenstände herausverlangen. Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Zahlungsanspruch gegen die Erben.
Beispiel: Herr Müller ist verstorben. In einem Testament hat er seine Tochter Mona als alleinige Erbin eingesetzt und den Sohn enterbt. Der Sohn Heiner fordert von seiner Schwester Mona den Pflichtteil ein. Der Nachlass besteht hauptsächlich aus einem Einfamilienhaus, in dem Herr Müller gelebt hat. Das Haus hat einen Wert in Höhe von 300.000,00 Euro. Gesetzlich hätte jedes Kind ½ geerbt. Der Pflichtteil ist die Hälfte davon, also ¼. Der Sohn Heiner hat demnach einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 75.000,00 Euro gegen seine Schwester.
Wann entsteht der Anspruch auf dem Pflichtteil?
Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht sofort mit dem Erbfall.
Wann verjährt der Anspruch auf den Pflichtteil?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt drei Jahre nach dem Erbfall.
Wie erfährt man, was vererbt wurde?
Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch auf Auskunft gegen die Erben. Die Erben müssen ein Bestandsverzeichnis über die Nachlassgegenstände vorlegen. Der Pflichtteilsberechtigte hat auch einen Anspruch darauf, dass der Wert des Nachlasses ermittelt wird. Die Kosten für die Wertermittlung hat der Nachlass zu tragen, so dass der Pflichtteilsberechtigte in Höhe seiner Beteiligung am Nachlass an den Kosten beteiligt wird.
Welche Möglichkeiten gibt es zur Umgehung des Pflichtteils?
Ein Weg zur Minderung von Pflichtteilsansprüchen sind Schenkungen zu Lebzeiten. Diese führen grundsätzlich dazu, dass der Nachlass geringer wird und damit auch die Pflichtteilsansprüche geringer werden. Allerdings müssen zwischen der Schenkung und dem Eintritt des Erbfalls mindestens 10 Jahre vergangen sein, ansonsten bestehen Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Was sind Pflichtteilsergänzungsansprüche?
Wenn zwischen der Schenkung und dem Erbfall weniger als 10 Jahre vergangen sind, wird so getan, als sei der geschenkte Gegenstand noch im Nachlassvermögen vorhanden. Dann besteht ein Pflichtteilsanspruch an dem damals verschenkten Gegenstand.
Zu unterscheiden ist die Schenkung von Grundbesitz und sonstige Schenkungen. Bei der Übertragung von Grundbesitz gelten Besonderheiten. Bei der Übertragung von Grundbesitz beginnt die 10-Jahresfrist nur unter bestimmten Umständen zu laufen. Wird z.B. ein Nießbrauchrecht für den Veräußerer bestellt, gilt der Grundbesitz nicht als übertragen, da der Veräußerer sich noch Rechte vorbehalten hat. Dann bestehen in jedem Fall Pflichtteilsergänzungsansprüche bei der Pflichtteilsberechtigten.
Beispiel: Herr Müller ist verstorben 1970 und hat die Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem Mehrfamilienhaus. Im Jahr 1991 überträgt Frau Müller das Haus auf ihre Tochter Hanna. Die andere Tochter Mona erhält nichts. Im Jahr 2002 verstirbt Frau Müller. Die Tochter Mona, die 1991 übergangen wurde, kommt zum Anwalt und fragt, ob sie Ansprüche geltend machen kann wegen der damaligen Schenkung. Grundsätzlich ist die 10-Jahresfrist verstrichen, so dass keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr bestehen. Frau Müller hatte sich aber 1991 bei der Übertragung den lebenslangen Nießbrauch am Haus vorbehalten. Die Schenkung aus 1991 gilt daher noch nicht als vollzogen. Die 10-Jahresfrist hat noch nicht einmal zu laufen begonnen. Es bestehen daher noch Pflichtteilsergänzungsansprüche der übergangenen Schwester Mona.
Wie berechnet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Schenkungen, die der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod gemacht hat, führen zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Es gilt das sogenannte Abschmelzungsmodell. Das heißt, die Ansprüche verringern sich jedes Jahr um 10%.
Abschmelzungsmodell des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Schenkungen:
Zeitpunkt der Schenkung | Anteil |
Innerhalb des ersten Jahres vor dem Todesfall | 10/10 –> Der gesamte Betrag |
Bis zu zwei Jahre vor dem Todesfall | 9/10 –> 90 % |
Bis zu drei Jahre vor dem Todesfall | 8/10 –> 80 % |
Bis zu vier Jahre vor dem Todesfall | 7/10 –> 70 % |
Bis zu fünf Jahre vor dem Todesfall | 6/10 –> 60 % |
Bis zu sechs Jahre vor dem Todesfall | 5/10 –> Die Hälfte der Schenkung |
Bis zu sieben Jahre vor dem Todesfall | 4/10 –> 40 % |
Bis zu acht Jahre vor dem Todesfall | 3/10 –> 30 % |
Bis zu neun Jahre vor dem Todesfall | 2/10 –> 20 % |
Bis zu zehn Jahre vor dem Todesfall | 1/10 –> 10 % |
Beispiel: Herr Müller hat im Jahr 2013 seine Eigentumswohnung auf seinen Sohn Heiner übertragen und er verstirbt im Jahr 2018, also fünf Jahre nach der Schenkung. Die Wohnung hat einen Wert in Höhe von 100.000,00 Euro. Nach fünf Jahren sind nach dem Abschmelzungsmodell noch 50.000,00 Euro von der Schenkung zu berücksichtigen. Die Tochter Mona hätte gesetzlich 50% geerbt. Der Pflichtteil ist davon ½, also bei 25%. Mona hat einen Anspruch in Höhe von 12.500,00 Euro gegen ihren Bruder Heiner.